in Sierra Leone ist das Wetter momentan sehr schön, ein kühler Wind aus der Sahara staubt zwar alles zu, sorgt aber für sehr angenehme Temperaturen um die 28 Grad. Da kommen die Sierra Leoner auch gut in Weihnachtsstimmung, ziehen sich ihre dicken Jacken an und setzen sich Wintermützen mit Ohrenschutz auf (kein Spaß!). Neben den klassischen Reggaesongs hört man nun auch Jingle Bells, Feliz Navidad und Merry Christmas und an den Fenstern einiger Geschäfte hängen angeklebte Eiskristalle. Auf einem Kreisverkehr hat eine Telefongesellschaft eine Metallpyramide mit Lichterketten angebracht, die bei funktionierendem Strom im Dunkeln an einen Weihnachtsbaum erinnert.

Seit Anfang Dezember läuft das Leben hier noch langsamer als ohnehin schon. Trotz großer muslimischer Bevölkerungsanteile sind Weihnachten und das Neujahrsfest von großer Bedeutung und da hier das Arbeitsrecht (und das Recht auf arbeitsfreie Zeit) nicht so fest verankert ist, ist diese Zeit für viele Sierra Leoner die einzige Zeit im Jahr, in der sie mal ein paar Tage am Stück frei haben – das muss dann entsprechend vorbereitet werden. Zum Beispiel mit einem Gang zum Stoffmarkt und dann zum Schneider, der den Stoff in ein neues Gewand verwandelt. Die Schneider machen im Dezember das Geschäft ihres Lebens, bis in die Nacht arbeiten sie im Kerzenschein oder im Schein einer Öllampe an ihren Tretnähmaschinen. In den letzten beiden Wochen habe ich morgens auf dem Weg zur Arbeit schon ungewöhnlich viele Feuer gesehen und mich gewundert, dass schon so früh gekocht wurde, bis mir klar wurde, dass es nur die Schneider sind, die die Kohlen für ihre Bügeleisen in aller Frühe aufwärmen.

Wie auch in Deutschland sind Besuche in der Kirche und bei Familienangehörigen und Freunden in dieser Zeit ein wichtiger Bestandteil der Festtage. Mit der Familie teilt man viel und gutes Essen, zum Beispiel Fleisch und Fisch in ein und derselben Mahlzeit. Gerne reisen die Sierra Leoner mit ihrer ganzen Sippe für ein oder zwei Tage zu einem der vielen Strände. Dass die Feierlichkeiten in diesem Jahr besonders groß ausfallen werden, zeichnet sich jetzt schon ab, da Weihnachten und jegliche Art der Versammlung im letzten Jahr wegen der Ebolaepidemie abgesagt wurden. Geschenke spielen in den meisten Familien kaum eine Rolle, weil sie ein zu großes Loch in die Haushaltskasse reißen würden. Dafür verschenkt man gerne Karten, um Wertschätzung für eine andere Person zu zeigen. Die zeigt man auch gerne mit mehr als einer Karte pro Person – je mehr Karten, desto beliebter ist man.

Newsletter Nr. 26
Nach oben scrollen